„Wir waren Pioniere“ – m-way Filialleiter Hans Ledermann über die Entwicklung des E-Bikes
Früher vornübergebeugt und tiefenfokussiert im Windschatten der Kollegen, heute aufrecht und kommunikativ im E-Bike-Store: Hans Ledermann ist Filialleiter unserer m-way Filiale in Solothurn. Als ehemaliger Olympionike im Bahnfahren hat der 64-Jährige sein ganzes Leben auf dem Velo verbracht. Früher war es das Rennvelo, heute ist es das E-Bike.
Wie Hans die Entwicklung des E-Bikes mitgestaltet hat – und was einen eingefleischten Muskel-Fahrer vom Wechsel zur Motorunterstützung überzeugen konnte, erzählt er uns im Interview.
m-way: Hallo Hans, du gehörst mit deiner Erfahrung im Velo-Bereich ja zu den versiertesten Spezialisten bei m-way. Wann ist das E-Bike zum ersten Mal in dein Leben getreten?
Hans: Vielen Dank für die Komplimente. Tatsächlich bin ich schon sehr früh mit dem E-Bike in Kontakt geraten. Aber da muss man vielleicht ein wenig ausholen, um das einzuordnen. Elektrisch betriebene Velos gibt es ja bald schon fast seit einem Jahrhundert, nur eben in einer wesentlich archaischeren Form, als wir das heute kennen.
Erst seit Anfang der Neunziger reden wir wirklich vom E-Bike – und da hat die Schweiz als Produktionsstandort einen grossen Beitrag geleistet. Das begann mit der Tour de Sol, Anfang der 1990er Jahre, wo ein elektrisch betriebenes Velo zum ersten Mal einer breiteren Masse vorgeführt wurde. Aber auch Schweizer Marken wie Flyer haben zu der Zeit ordentliche Arbeit geleistet – und da bin ich auch mit beteiligt gewesen. Wir waren aber nur ein kleines Team von zwölf Leuten. Aber wir waren Pioniere.
m-way: Welche Rolle hast du bei der Entwicklung der ersten Schweizer E-Bikes gespielt?
Hans: Das war zu einer Zeit, zu der ich bei BMC im Bereich des Produktmanagements gearbeitet habe. Die Kollegen von der Marke Flyer, vor allem der Gründer Kurt Schär, waren sehr engagiert, Vorreiter beim Bau von E-Bikes zu werden und die haben mich mit ins Boot geholt. Das war damals alles noch streng geheim. Wir mussten unterschreiben, dass wir auf keinen Fall irgendjemandem etwas von dem Projekt erzählen. Die Flyer „F-Serie“ sollte das erste marktfertige E-Bike in der Schweiz werden.
m-way: Ist die F-Serie denn schliesslich ein Erfolg geworden?
Hans: Naja, man muss wirklich sagen, dass wir Pioniere in der Arbeit gewesen sind und die Velos von Grund auf aufgebaut haben. (Lacht) Das waren ganz lustige E-Bikes mit einer Art farbigem Tank. Nicht das, was wir heute als E-Bike erkennen würden.
Letzten Endes war unser Startschuss aber eher erfolglos. Wir waren unserer Zeit einen zu grossen Schritt voraus. An einem Tag hatten wir endlich 25 E-Bikes fertig gebaut und alles sah gut aus. Aber dann mussten wir am nächsten Tag dann doch alle Modelle wieder aufmachen, weil irgendetwas falsch lief. Das war eine abenteuerliche Geschichte. Zunächst hatten wir natürlich Spass, aber später verging das.
m-way: Heute ist das E-Bike allgegenwärtig. Doch am Anfang betrachteten viele Menschen es mit Skepsis. Was hast du gedacht?
Hans: Wenn du als Profiradsportler dein Geld verdient hast, wirst du auf dem E-Bike schon schief angesehen, oder? Ich dachte mir aber auch: „Ich will ja nicht von gestern sein.“ Schliesslich war ich immer ein offener Kerl. Und naja, heute fahre ich sehr gerne E-Bike, weil ich zu einem Genuss-Biker geworden bin. Bis Puls 150 geht es aber noch (lacht).
Aber der zweite Aspekt ist viel wichtiger: Mit dem E-Bike bleibst du zusammen und niemand muss auf den anderen warten. Vorher hatte ich mal ein Tandem, damit ich auf meine Frau nicht warten muss, so konnte ich mich durchschummeln. Die E-Bikes sorgen aber für mehr Eigenständigkeit und Harmonie. Das ist gut für die Ehe.
m-way: Auf was für einem E-Bike fährt denn ein ehemaliger Rad-Olympionike?
Hans: Na, sportlich darf es schon sein, oder? Ich habe ein Focus Fully für die sportliche Fahrt und ein E-Bike von Winora für Touren mit meiner Frau.
Das spüre ich übrigens auch immer bei den Kunden. Wir sind mittlerweile in der „zweiten E-Bike Phase“, wie ich es nenne. Viele Leute fahren mit dem E-Bike zur Arbeit und suchen ein verlässliches E-Bike, das man auch mit guter Kleidung fahren kann. Daneben wollen sie aber auch eins für den aktiven Bereich.
Wenn du am Abend nur eine Stunde Zeit hast, kommst du mit dem E-MTB ziemlich weit. Am Jura Südfuss fährst du mit der Motorunterstützung 45 Minuten rauf – 1000 Höhenmeter. Und runter geht es dann in 15 Minuten. Das kann ich genau sagen.
m-way: Viele Kunden wünschen sich also mittlerweile ein zweites E-Bike. Aber gibt es auch noch viele, die bisher weiter mit reiner Muskelkraft fahren?
Hans: Ja, die gibt es natürlich auch klar. Und es ist eine ganz lustige Geschichte. Häufig schleift als erstes der Mann seine Frau in den Laden, damit sie mit ihm mitfährt. Aber er glaubt, er brauche keine Motorunterstützung. Dann kann man Wetten abschliessen: Ein paar Wochen, vielleicht auch Monate, später hat sie ihn dann im Schlepptau. Er solle sich doch ein E-Bike holen, weil er mit ihr nicht mehr mithalten kann.
Wie gesagt: E-Bikes schaffen Harmonie. Und wenn man dann bei der Inspektion mal den Kilometerleser checkt, dann sieht man auch, dass der Mann letztlich auch seinen Spass mit dem E-Bike hatte. Meist fahren die Männer dann nämlich mehr Kilometer runter, als ihre Frauen. Eben, weil das E-Bike einfach Spass macht.
m-way: Was siehst du in den letzten Jahren als wichtigste Entwicklung am E-Bike?
Hans: Den grossen Herstellern gelingt es schon sehr gut, die Wünsche der Kunden umzusetzen. Vor allem war das in den letzten Jahren die Reichweite. Mit dem Smart System und seinen 750 Wattstunden hat Bosch im letzten Jahr eine neue Marke gesetzt, welche die Kunden auch gerne annehmen. Manche wollen sogar 1200 Wattstunden. Wir haben einen Kunden, der täglich 100 Kilometer mit dem E-Bike fährt. Sowas macht mich als Filialleiter nach Jahrzehnten in der Velobranche natürlich immer noch glücklich.
m-way: Wie gehst du heute an einen Kunden heran, der ein E-Bike kaufen will?
Hans: Ganz persönlich ist meine Taktik: Ich lasse ihn erst mal reden und versuche herauszubekommen, was er benötigt. Manche Leute kommen in den Laden und sagen: „Ich will ein schnelles E-Bike.“ Da denkt man, er sei informiert. Doch im Gespräch stellt sich heraus, dass er gar kein schnelles E-Bike braucht. Natürlich hätte ich ihm gleich ein schnelles, teures E-Bike verkaufen können. Doch im Verkauf sind wir glücklicher, wenn wir wissen, dass die Kunden glücklich sind.
Naja, und dafür ist es natürlich auch wichtig, was kurzfristig lieferbar ist. Da überlege ich schon im Gespräch: Was kann ich kurzfristig organisieren? Bei m-way haben wir da mit unseren über 30 Filialen einen grossen Vorteil. Haben wir etwas nicht auf Lager, fragen wir die Kollegen aus der gesamten Schweiz. Das ist schon toll, so ein Teamplay, was wir da gerade haben.
m-way: Was wird denn derzeit von euren Kunden am stärksten nachgefragt?
Hans: Das ist ganz unterschiedlich. Wir sehen auch den Trend aus Deutschland, dass die Nachfrage nach E-Lastenrädern (E-Cargobikes) gerade enorm wächst, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der Verkäufe ausmachen. Aber es ist ja klar, denn das E-Cargobike schafft Unabhängigkeit. In einer Familie kann man dadurch auf das zweite Auto verzichten und trotzdem bleiben beide mobil.
Viele suchen aber heutzutage auch nach der eierlegenden Wollmilchsau. Komfortabel, praktisch und trotzdem für das Gelände geeignet. Auch da muss man ein Kompliment an die E-Bike-Industrie aussprechen. Die vollgefederten Tiefeinsteiger-E-Bikes sind eine vielversprechende Entwicklung. Nur sind es noch zu wenige Modelle. Aber das kommt.
Und was die Leute noch wollen, ist ein beständiges E-Bike mit wenig Pflegeaufwand. Der Riemenantrieb ist stark nachgefragt, weil er einfacher zu reinigen ist. Die Leute wollen insgesamt viel Leistung und Bequemlichkeit, aber möglichst wenig Wartung. Auch das können wir oft bedienen.
m-way: Bist du stolz, wenn du einem Kunden bei so vielen Möglichkeiten das perfekte E-Bike verkaufen kannst?
Hans: Natürlich! Erst heute Morgen hatten wir eine ganz kuriose Geschichte. Wir haben so ein Fahrrad bei uns, das ist eine eierlegende Wollmilchsau. Riemenantrieb, Smart System und sogar ein hydraulischer absenkbarer Sattel, das Winora Yakun.
Vor einer Woche hatten wir einen Herrn Baumann in unserem Shop zu Besuch. Mit seiner Tochter. Herr Baumann sagte: „Ich bin 88 und brauche jetzt ein E-Bike.“ Das hat mich schon vom Hocker gerissen. Wir haben geschaut und geredet und ihm gefiel tatsächlich das besagte Winora E-Bike für etwa 5.000 Franken am besten.
Doch er wollte noch einmal andere Shops abfahren und sich andere E-Bikes angucken. Ich dachte mir „Der kommt sicher nicht wieder. Mit 88 noch so ein Top-Velo kaufen?“ Doch heute Morgen stand er wieder bei uns im Shop und hat das E-Bike abgeholt. Er ist damit bei uns vor der Tür rumgefahren und hat so gestrahlt! Und da dachte ich mir nur: Wenn jemand mit 88 Jahren noch ein für ihn superpassendes E-Bike findet und dann noch den Mut hat, es zu kaufen, dann ist das doch ein perfect Match!
Sowas macht mich als Filialleiter nach Jahrzehnten in der Velobranche natürlich immer noch glücklich.
Hans, vielen Dank für deine Zeit!